Manchmal muss man sich ein Herz fassen und einfach tun, was getan werden muss. Etwa ein Auto anschauen, das man eigentlich gar nicht kaufen will. Das man aber gesehen haben muss. Auch wenn es fast schon in Tschechien steht.
Dass ich am Nissan Prairie einen Narren gefressen habe, ist ja hinlänglich bekannt. Hab ich doch sogar ein Buch über das Ding geschrieben. Und als Anfang Jänner ein 85er Prairie 1.5 GL mit 44.013km aus erster Hand auftaucht, muss ich mir das Ding natürlich anschauen. Wahrscheinlich bekomme ich nie wieder die Gelegenheit, ein Exemplar mit so niedriger Laufleistung zu sehen. Also auf ins Weinviertel. Ganz nach oben, an die Tschechische Grenze. Zweieinhalb Stunden Fahrt in eine Richtung.



Die Welt ist eine andere, dort oben. Endloser Horizont, kleine Dörfer ohne Geschäfte, Post oder ein Wirtshaus. Und sooo wenig Verkehr auf den einsamen Landstraßerln abseits der A5. Ein schönes, beschauliches Fleckerl Österreich. Ganz anders als ich es kenne. Und dadurch immer wieder faszinierend.

Bei einer kleinen Werkstatt mit unterschiedlichsten Gebrauchtwagen und Landmaschinen am Hof steht er dann. Sogar im Schauraum. Der braune Prairie. Auf den ersten Blick beeindruckend unberührt. Ein Eindruck, der sich auf den zweiten Blick manifestiert. Ungeschweißt, bis auf ein paar kleine Dellen und Schürfer unberührt. Und doch will ich ihn nicht. Warum?




Viele kleine Details sorgen dafür, dass ich meinem Silbernen treu bleibe. Das Bordwerkzeug, der Wagenheber, beide Schubladen unter den Sitzen und die Bordmappe fehlen. Das Gehäuse des Außenspiegels fahrerseitig ist gebrochen, der Hebel zur Neigungsverstellung des Fahrersitzes auch. Der Wagen ist seit 2012 abgemeldet, ein ganz großes Service inkl. Tankreinigung, neuer Reifen und historischer Eintragung ist fällig. Alles Sachen, die ich bei meinem Silbernen schon erledigt habe. Der ist zwar nicht ungeschweißt, mir aber ans Herz gewachsen.
Nach einem netten Gespräch mit dem Verkäufer war´s das, ich kann wieder heimwärts aufbrechen. Oder ich könnte einen Abstecher nach Tschechien machen…





Kaum über die heute fast unsichtbare Grenze und du bist in einer anderen Welt. Lustiges Gebimmel am Bahnübergang macht auf einen Zug (Pozor Vlak!) aufmerksam, der direkt aus der Vergangenheit zu kommen scheint. Kunstvoll geschmiedete Brückengeländer wissen viel eher zu gefallen als das hiesige Alu-Zeugs und das Straßenbild erinnert an Österreich von vor 20 Jahren. Wobei wir nie so viele Skoda Felicia hatten, wie es hier noch gibt.
Das Faszinierende an diesen kleinen Fluchten: Mein Körper schraubt den Stoffwechsel offenbar auf ein Minimum retour. Daher kann ich das auch nur alleine machen. Essen, trinken? Nicht nötig. Wie ein kleines Kind hab ich einfach keine Zeit dazu. Es gibt viel zu viel zu sehen, zu entdecken, zu bestaunen. Und dann geht´s wieder heimwärts. Mit kleinem Abstecher über den Semmering. Einfach so .



Als Erkenntnis bleibt die Tatsache, dass man auch als Prairie-Liebhaber nicht jedes Exemplar kaufen muss, das auftaucht. Dass man viel öfter den gewohnten Horizont gegen eine andere Welt tauschen sollte. Und dass es doch wieder schön ist, nach Hause zu kommen.
Lukas
P.S.: Nicht verwunderlich – der braune Prairie war wenige Tage nach meiner Besichtigung verkauft. Ich bin gespannt, ob er noch mal irgendwo auftaucht. Man sieht sich im Leben ja bekanntlich immer zwei Mal.

Ich wusste sofort, dass du ihn dir anschaust! Schade, dass daraus nichts geworden ist, aber es muss dann ja doch noch einen Seelenverwandten geben, zumindest in der Hinsicht 👍🏻
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