Störung der Totenruhe

Mea culpa. Ich bekenne mich schuldig. Ich habe die Totenruhe eines in Ehren ergrauten Helden des Alltags gestört. Und ich bereue es nicht einmal.

Wie immer fing alles mit einem Telefonat an. „Am Montag kommt der LKW, dann wird er abgeholt.“ Wenn du diese Worte hörst, ist klar, dass jetzt Handlungsbedarf besteht. Also schnell ein großes Auto besorgt, einen Helfer mobilisiert und ab in den Wiener Süden.

Ab in den Vor-Frühling. Wahnsinn. Du kommt auf salznasser Straße aus dem Semmeringtunnel raus, fährst an Neunkirchen vorbei und bist plötzlich in einer anderen Welt. Milder, kein Schnee mehr und die Straßen ungleich salzärmer und trocken. Irre. Da könnte einen fast der Neid packen. Kein Wunder, dass Autos im Wiener Becken deutlich älter werden als bei uns.

Aber irgendwann ist für jeden Alltagshelden mal Schluss. Doch anstatt gleich in den Schrott zu wandern oder gen Afrika zu ziehen, wartet er seit Jahren hinterm Holzzaun auf mich. Eingewachsen zwischen Hagebutten-Sträuchern, mit Wespennestern in jeder Ritze. Aber – typisch Wiener Raum – relativ wenig Rost. Also her mit deinen Filetstücken, bevor der Schrotti kommt.

Noch trübt keine Wolke das Vergnügen

Samstag vormittag, die Sonne lacht. Es ist windig aber mild und ich hab keine Zeit zu verlieren. In einigen Stunden soll das Wetter umschlagen und davor muss so viel mit wie möglich. Die Ratsche glüht. Als meine moralische Unterstützung Helmut Winkelbauer, seines Zeichens Alt-Nissan-Afficionado und Vize-Mr. Japan-Oldies eintrifft, fehlt schon die halbe Schnauze. Und mit Helmuts Hilfe kann ich mich auch an die Türen wagen. Denn die haben nicht nur keinen Rost, sondern auch gute Scheiben, Zierleisten, Griffe, Schlösser und und und …

Langsam zieht es zu…

Ist es eigentlich verwerflich, wenn es mir besonderen Spaß macht, sämtliche Werkzeuge so richtig genüsslich aufs Dach des daneben vor sich hin rottenden Porsche zu knallen?

Nach den Türen kommen die Kotflügel und die Seitenscheiben dran, dann muss auch die Heckklappe daran glauben. Der Innenraum ist leider ziemlich am Ende und der Motor liegt in teilen im Kofferraum. Der Motorschaden wird sein Todesurteil gewesen sein. Aber er gibt seine guten Teile brav her, von unzähligen Schrauben reißt nur eine Einzige ab. Die meisten Schrauben sind nur am freiliegenden Kopf verrostet, die Qualität der verbauten Schrauben und Komponenten ist wirklich erstaunlich.

Jetzt regnets gleich…

Gut viereinhalb Stunden Schrauberei im Akkord ohne Jause oder Pause sind mittlerweile vergangen und langsam schleichen sich erste Konzentrationsschwächen ein, die kleinen Verletzungen beginnen sich zu häufen. Und dann fängt es wirklich an zu regnen. Mist, schnell einräumen, bevor alles komplett nass ist. Nachdem es auch nicht danach ausschaut, als würde es bald wieder trocken werden, treten wir mit vollgepackten Autos die Heimreise an.

Schweren Herzens – Abfahrt!

Um ein paar Teile, die ich zurücklassen musste, tut es mir insgeheim ein wenig leid. Aber es überwiegt doch die Freude, alle guten Karosserieteile, Scheiben und viel Kleinzeug gerettet zu haben. Hoffentlich stimmt die alte Weisheit erfahrener Mechaniker, dass man all jene Teile, die man lagernd hat, nie braucht. Danke dir Helmut für deine Hilfe!

Lukas

Zu früh gefreut, liebe Freunde – ohne Altblech-Philosophiererei kommt ihr mir auch heute nicht davon: Grundsätzlich bin ich ja gar kein großer Freund des Schlachtens schrottiger Autos. Denn wenn ich einen Schönen habe und ich schlachte eine fertige Kiste, was ist dann für meinen Schönen zu gebrauchen? In der Regel ist beim Schlachter alles schlechter als beim Guten. Und doch hat es sich bei diesem Ding ausgezahlt. Danke! Und hat es vielleicht gar Spaß gemacht? Urteilt selbst…

Veröffentlicht von Lukas

Mit Herz und Hirn - immer hinterm Lenkrad und am Puls der Straße.

Ein Kommentar zu “Störung der Totenruhe

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