Es geht auf Ende Jänner zu. Jeder Tag eine Symphonie in Moll aus salznassen Straßen, Matsch, Streusplit und Schneeregen. Die alten Kisten sind seit mittlerweile drei Monaten weggesperrt. Kein Wunder, dass der Suchtdruck steigt.
Und weil alte Autos harmloser sind als Crystal Meth, geb ich mich der Sucht hemmungslos hin. Es muss doch in der Nähe eine Kiste geben, die ins Beuteschema fällt und auf die ich Lust hab´. Zwei Minuten Internetz und schon ist der Besichtigungstermin gemacht. Mit dem Blanko-Kaufvertrag im Handschuhfach und der kompletten Autobesichtigungs-Ausrüstung gehts knapp 50 Kilometer in den Süden. Denn dort wartet dieses schöne Ding:
Ein 1984er Mazda 626 2.0 Limousine mit Automatik. Gut, auf den ersten Blick überzeugt er nicht durch makellose Schönheit. Was aber zu einem großen Teil an der jahreszeittypischen Wetterlage samt damit verbundener Salz/Dreck-Patina liegt. Und innen eventuell am Billigzubehör-Klimbim. Von Sitzauflagen aus feinstem Kunstleder über venezianische Karnevals-Püppchen bis hin zu Katzenaufklebern und dem wahnsinnig stylischen Zebrafell-Lenkradüberzug ist alles da, was das Autozubehör-Sortiment im 1-Euro-Shop hergibt. Fehlt nur noch der Tribal-Aufkleber auf der Heckscheibe. Da fällt es schwer, sich das Auto nackt vorzustellen. Es könnte sich aber lohnen. Denn sooo verkehrt ist das Ding nicht.
Fährt gut, ist kaum rostig und bietet mit elektrischem Schiebedach, vier elektrischen Fensterhebern und Zentralverriegelung einen für 1984 ungewöhnlichen Ausstattungsumfang. Selbst die altertümliche Dreigang-Automatik hat ihren ganz eigenen Reiz. Und doch habe ich nach der Probefahrt ohne über den optimistischen Preis zu reden wieder den Heimweg angetreten. Denn es gibt ein großes Problem. Oder besser gesagt, ein „Größen-Problem“.

Es ist unfassbar – Ich kann in dem Ding nicht menschenwürdig sitzen! Beim Einsteigen schaff ich es kaum, mein rechtes Bein zwischen Lenkrad (ganz oben) und Sitz (ganz unten) durchzufädeln. Sitz ich dann, steht mein Kopf am Schiebedach an. Wohlgemerkt trotz leicht gekrümmter Haltung, siehe Foto. Mit offenem Schiebedach geht es wunderbar, aber das ist auch keine Lösung auf Dauer. Und nein, ich bin kein Basketballer, sondern eigentlich bloß ganz zivile Einssiebenundachtzig. Laut Modellkennern helfen angeblich Sitze oder zumindest Sitzschienen aus dem Fließheck-Modell. Bloß woher nehmen…?
Was solls. Ich muss mich wohl damit abfinden, dass das Team rund um Chefingenieur Shigenori Fukuda bei der Entwicklung des Mazda 626 GC zwar an viele Kleinigkeiten, nicht aber an etwas Größere gedacht hat. War trotzdem eine spannende Begegnung und ein guter Weg, den Suchtdruck bis zum Auswintern meiner zwei Raumwunder ein wenig zu verringern.
Lukas