Ich schau nur…

… ich brauch eh nix. Wer mit dieser Einstellung zu einer Fahrzeug-Besichtigung fährt, müsste eigentlich schon vorher wissen, dass es anders ausgehen wird. Oder doch nicht?

Gegen Ende März taucht ein Inserat auf. Ganz herkömmlich, auf willhaben. Bloß sehr informativ ist es nicht. Keinerlei Infos im Text und nur ein Symbolfoto. Blöd nur, dass das Modell auf dem Symbolfoto so gar nicht zum angeblichen Baujahr des inserierten Autos passt. Ein Preis, eine Nummer. Das war´s. Mein Interesse weckt es trotzdem. Also her mit dem Telefon. Aber jetzt wirds erst richtig kompliziert…

„Grüß Gott! Haben Sie überhaupt ein echtes, starkes Kaufinteresse?“ bekomm ich zu hören, nachdem sich am anderen Ende ein spürbar nervöser Mann meldet. Er hätte noch nie so ein altes Auto privat verkauft und wisse nicht, was da auf ihn zukommt und was ich denn jetzt überhaupt von ihm will. Nachdem ich ihm erklärt habe, dass ich nichts über mein echtes, starkes Kaufinteresse sagen kann, weil sein Symbolbild nicht zum Baujahr passt und ich weder weiß, um welches Modell es sich genau handelt, noch den Zustand kenne, ist er einsichtig und bietet mir etwas widerwillig eine Besichtigung an.

„Ja wann wollen´s denn kommen? Heute geht gar nichts. Morgen und am Sonntag auch nicht, weil da sind wir im Wochenendhaus. Und ab Montag arbeiten wir beide wieder, meine Gattin und ich. Da geht auch nichts.“ Tja, das wird wohl doch etwas schwieriger als gedacht… Als ich ihm noch einmal erkläre, dass er – wenn er das Auto verkaufen möchte – auch eine Besichtigung ermöglichen sollte, willigt er doch ein. Schon tags drauf, am Samstag. Er kommt extra vom Wochenendhaus zum Standort des Gebrauchtwagens. Na Hallelujah, das wird ja vielleicht doch was. Natürlich erzähl ich ihm nicht, dass ich eigentlich nur wissen will, um welches Modell es sich da jetzt genau handelt und dass ich gar nicht vor habe, mir noch eine alte Kiste ans Bein zu binden. Ich schau ja nur…

An der Adresse angekommen, erwartet mich eine Wellblech-Asbest-Garage im Hinterhof eines Einfamilienhauses, das seine besten Zeiten hinter sich hat. Und der immer noch sehr aufgeregte Verkäufer. Der – wie sich später herausstellt – nur als Vermittler auftritt. Für seine Schwiegermutter, die mittlerweile 94 Jahre alt ist und vor 7 Jahren das Autofahren aufgegeben hat. Sehr vernünftig. So lange steht der Wagen unberührt in dem Verschlag und soll nun endlich weg. Genug gequasselt, jetzt aber auf mit dem Tor! Schauen wir, was uns erwartet.

Tja, was soll ich sagen… 5 Minuten, nachdem das Tor aufgegangen ist und ich das verschüchterte Ding gesehen hab, musste eine Entscheidung her. Also schnell einen Block geschnappt und auf der Motorhaube einen Kaufvertrag aufgesetzt. 3, 2, 1, meins!

Und gut war´s. Ein paar Minuten später fährt ein Auto vor, ein junger Mann steigt aus und stellt sich als der zweite Interessent vor. Er möchte die Kiste gleich kaufen, er würde auch mehr bieten als ich. Mein unaufhörliches Gewedel mit dem Spontan-Kaufvertrag wirkt dann aber doch und er zieht fluchend wieder ab. Das Ding gehört mir, ich zahl ihn gleich an und nehm die Papiere mit. Das Inserat lässt er online, warum auch immer…

Eine Woche später, bei der Abholung, begrüßt mich der Verkäufer mit bitterer Miene und den Worten „Herr Wieringer, sie haben Glück gehabt. Da haben noch ein paar Leute angerufen und gesagt, sie würden mehr zahlen und ihn sofort holen. Aus Tirol und Salzburg wollten sie kommen, ein Wiener wollte ihn zum Schlachten haben. Aber sie waren halt der erste, der einen Vertrag gemacht hat.“

Tja, und was lernen wir draus? Nicht lange herumreden, sudern und lamentieren. Einfach hinfahren und handeln. Oder wie in meinem Fall – nur einmal ein bisserl schauen.

Lukas

P.S.: Nur Geduld, meine Lieben. Die große Vorstellung folgt, wenn er wieder auf der Straße ist. In Arbeit ist er schon.

Veröffentlicht von Lukas

Mit Herz und Hirn - immer hinterm Lenkrad und am Puls der Straße.

Ein Kommentar zu “Ich schau nur…

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