Fremd im eigenen Land

Und da sage noch einer, das Oldtimer-Hobby wäre langweilig. Lest selbst wie eine Teilerettungs-Aktion für mich fast im Gefängnis endet.

Freitag. Wie so oft beginnt alles mit einem Anruf. „Lukas, ich weiß da was…“. Ein Freund ist dran, er hat durch Zufall im Hinterhof eines Anwesens einen roten Nissan Prairie unter einem Baum entdeckt. Eine Baustelle macht seine Entsorgung notwendig. Aber ich könnte kommen und mir was abschrauben, wenn was Brauchbares dran ist. Am Montag wird er vom Schrotthändler abgeholt. Darauf folgen noch ein paar Fotos auf WhatsApps und schon ist der Plan gefasst. Morgen geht´s ab, ich hol mir ein paar Trümmer.

Samstag. Normalerweise kann mich der frühe Vogel einmal kreuzweise, aber dieses Mal ist es anders. Früh auf, Abfahrt im Morgengrauen. Nach einer guten Stunde Fahrt finde ich den Prairie dank guter Beschreibung auf Anhieb. Und bin gleich einmal enttäuscht. Oje, das Ding steht direkt neben einer belebten Nebenstraße. Mit Unmengen Joggern, Nordic Walkern, Reitern, Radlern und Spazierengehern, die direkt daran vorbeikommen. Aber nichts desto trotz, ich bin zum Arbeiten da. Also los, frisch ans Werk. Die Scheinwerfern schauen nicht so übel aus.

Grad als ich den ersten Scheinwerfer in mein treues Alltagsauto verlade, fährt mit hoher Drehzahl und quietschenden Reifen ein alter Sharan auf mich zu. Scheibe offen, ein grimmiger junger Mann am Steuer, Hundegebell. „Kann ich helfen?“ ruft er mir mit aggressivem Ton zu und wartet meine Antwort gar nicht ab. „Was machen Sie da? Was soll das? Was wird denn das?“ Ich bedanke mich für sein Hilfsangebot, erkläre mich und erzähle von der Absprache, mir was runternehmen zu dürfen. Das beruhigt ihn recht schnell. Er sei für die Abholung verantwortlich, hätte nichts von der Absprache gewusst. Sagt´s und fährt wieder. Na das kann ja heiter werden…

Und wirklich. Eine knappe halbe Stunde später fällt mir im Augenwinkel ein älterer Herr auf, der aus einem der Nachbarhäuser mit entschlossenen Schritten auf mich zu kommt. Von der anderen Seite nähert sich ein Nordic Walker. Es entwickelt sich folgendes Gespräch:

Nachbar: Ist das dein Auto? Ja was fällt dir denn ein, die Schrottkiste da einfach in die Wiese zu stellen? Ich bin gestern Nachmittag von der Arbeit in Wien heimgekommen und dann steht diese Kiste da.

Nordic Walker: Ich hab dich gerade fotografiert, ich zeig dich am Montag bei der BH an. Ich hab dein Kennzeichen und von dir mach ich auch noch ein Bild. So eine Frechheit, da einfach dein Auto zu entsorgen! Jetzt hab ich ja einen Zeugen auch.

Querlenker: Tschuldigen´s, aber das ist nicht mein Auto. Ich darf mir bloß ein paar Teile holen. Ich bin auch dagegen, Schrottautos einfach so irgendwo stehen zu lassen, bis sie in der Wiese versinken. Aber am Montag soll er eh vom Schrotthändler geholt werden, hab ich gehört.

Nordic Walker: Ach, dir gehört der gar nicht? Jetzt wollt ich dich schon bei der BH anzeigen und die Polizei wollte ich auch rufen. Aber wenn der nicht am Montag weg ist, dann ruf ich sofort an, das sag ich dir. Dein Kennzeichen hab ich ja jetzt. Und einen Zeugen auch.

Nachbar: Ich ruf am Montag auch auf unserer Gemeinde an. Weil das ist ja wirklich eine Sauerei, die Kiste da herzustellen. Ich schau vom Küchenfenster genau raus. Ja was soll denn das, frag ich dich? Das kanns ja wirklich nicht sein. Ich wollte schon die Polizei holen, aber dann hab ich mir gedacht vorher stell ich dich zur Rede. Weil wir mögen keine Fremden.

Knapp sind die zwei erbosten Herren wieder weg, fährt ein supersportlicher Mountainbiker langsam und demonstrativ mit dem behelmten Kopf schüttelnd an mir vorbei. Das ist genug Gastfreundlichkeit für heute. Bevor da noch allerhand mehr Leute vorbeikommen, um mich zu beschimpfen oder anzuzeigen, hau ich ab.

Da servas, das war ein fragwürdiger Spaß. Da sage noch einer, das Oldtimer-Hobby sei langweilig.

Lukas

Veröffentlicht von Lukas

Mit Herz und Hirn - immer hinterm Lenkrad und am Puls der Straße.

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