Probefahrt-Tourist at work

Sie suchen scheinbar wahllos zum Verkauf angebotene Autos auf, heucheln Interesse und verfahren den Sprit der Verkäufer, um sich mit den Worten „Ich meld mich“ wieder zu verabschieden. Jeder hasst sie – Probefahrt-Touristen.

Freitag Vormittag, im Büro. Drei berufliche E-Mails müssen beantwortet und eine Honorarnote geschrieben werden. Business as usual. Plötzlich eine Nachricht im Posteingang. Der Suchagent einer großen Gebrauchtwagen-Börse schlägt Alarm.

Wow, ein Maxima QX. Geil! Mit der großen 3-Liter-Maschine samt Automatik. Smooth! In einer sehr eleganten, völlig aus der Mode gekommenen Farbe. Verführerisch!

Zwischen meinem ersten erfolglosen Anruf bis zum Rückruf des sympathischen Verkäufers vergehen ein paar Stunden. Ich habe Zeit, mich zu fragen, was ich mit dem Ding überhaupt will. Schließlich bin ich bekanntlich eh ganz gut mit alten Japsinesern versorgt. Aber so eine große, souveräne Limousine hat ihren ganz eigenen Reiz. Denn sie vergrößert den eigenen Aktionsradius deutlich. Erklärung? Kommt!

Nehmen wir meinen 87er Mitsubishi Pajero her. Traumzustand, zuverlässig, läuft richtig gut. Doch konzeptbedingt wird es auf längeren Strecken mühsam. Der Diesel bringt den großen Resonanzkörper ordentlich zum Brummen und die kurze Übersetzung (gut 3000 U/min bei Tacho 95, wohlgemerkt beim Diesel im fünften Gang) zieht Entfernungen subjektiv in die Länge. Hundert Kilometer werden zur Geduldsprobe. Längere Strecken machen keinen Spaß, schon gar nicht auf der Autobahn. Nicht jeder ist zum Trucker geboren. Ein Oldie mit souveräner Motorisierung und höherem Antriebskomfort würde wohl für subjektiv mühelosere Kilometer sorgen. Und das erhöht die Bereitschaft, zwischen April und Oktober öfter auch mal weiter weg zu fahren. Zum Oldtimertreffen nach Ernstbrunn vielleicht oder an den Wörthersee auf ein Eis.

Aber Probieren geht über Studieren und was könnte es an einem Samstag im Vorfrühling Schöneres geben als ein Blind-Date.

Schön ist er schon. Zurückhaltend elegant. Ein Underdog, dem man seine Kompetenz nicht ansieht. Leider aber sieht man ihm schon an, dass er trotz der geringen Laufleistung von unter 100.000km oft im Winter herhalten musste. Rundum finden sich verräterische Bläschen und wenns beim Draufdrücken knuspert wie bei einem frischen Croissant, bin ich raus.

Aber der Motor macht alles Unheil wieder vergessen. Dieser VQ30DE genannte Sechszylinder mit Aluminiumblock, 3 Litern Hubraum, doppelten obenliegenden Nockenwellen und 24 Ventilen ist ein Gedicht. Seidig, smooth und kraftvoll. Unter 3000 Umdrehungen flüsterleise, wird er beim Kickdown plötzlich zur sanften Bestie und dreht vibrationsfrei und völlig mühelos bis in den Begrenzer. Untermalt von einem Sound zum Niederknieen. Kein Wunder, dass er sich von 1995 bis 2001 ohne Unterbrechung auf der Liste der 10 besten Motoren des „Wards AutoWorld Magazine“ findet.

Der Maxima selbst bleibt aber recht farblos. Er ist zwar schon fast 25 Jahre alt, aber für uns Kinder der 80er wohl einfach zu modern. Weder der Innenraum noch das Fahrerlebnis – mit Ausnahme des großartigen Motors – oder die Ausstrahlung des QX machen nachhaltig und stark genug an, um sich das Ding als Youngtimer wegzustellen. Geschweige denn die ganzen Baustellen der Karosserie anzugehen. Wieder nichts…

Und plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen… Bin ich Probefahrt-Tourist? Einer von den Zeitdieben, die sich auf Kosten verkaufswilliger Autobesitzer einen Spaß machen?

Dem muss ich widersprechen. Es ist immer ein Glücksspiel und nicht vorhersehbar, ob bei einer Besichtigung plötzlich der Blitz einschlägt oder nicht. Ob das Auto in einem Zustand ist, dass man einfach nicht Nein sagen kann oder ob zu viele Baustellen das junge Glück stören. Zudem erkennt man mein ehrliches Interesse auch am Blanko-Kaufvertrag auf der Rücksitzbank und dem Kaufpreis in der Tasche. Just in case.

Und einmal ehrlich – Sooo schlimm kann es für den Verkäufer nicht gewesen sein, wenn es nach der Besichtigung sogar noch für ein Erinnerungsfoto reicht.

Lukas

Veröffentlicht von Lukas

Mit Herz und Hirn - immer hinterm Lenkrad und am Puls der Straße.

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