Planung ist alles

Im Winter halten sich spannende Erlebnisse mit dem automobilen Streichelzoo in engen Grenzen. Da kommt das letzte echte Abenteuer der Menschheit gerade recht – Eine Langstrecke unter denkbar schlechten Bedingungen mit einem elektrischen Stadtflitzer für die Kurz- und Mittelstrecke. Kann das klappen?

Die Ausgangssituation ist folgende – In der Stadt Traun in Oberösterreich steht eine alte Kiste, die es sich anzuschauen lohnt. Zumindest suggeriert das ein Inserat, das recht vielversprechend wirkt. In eine Richtung sind das knapp 200km, also kein Thema. Außer, das eigene Alltagsauto ist anderweitig verplant und der einzige fahrbare Untersatz ist ein batterie-elektrischer Kleinwagen. Wobei auch das funktionieren sollte.

Was unterscheidet den Elektroauto-Fahrer vom Verbrenner-Piloten? Genau, der Elektroauto-Fahrer investiert ein paar Minuten in die Planung einer Langstrecke und fährt nicht einfach los. Warum? Weil laden länger dauert als tanken und man nicht weit kommt, wenn man einfach fährt, bis das Akku leer ist. Aus den „paar Minuten“ ist dann eine Stunde geworden. Aber dann stand der Plan, wann und wo das geliehene Elektromobil geladen wird, um ohne Reichweitenangst hin und retour zu kommen.

Aufgrund der Jahreszeit werden wohl zwei Ladestopps nötig. Sind dauerhafte Minusgrade und viele Autobahnkilometer doch die schlechtesten Bedingungen für einen Akku. Und so waren trotz 52kW Fassungsvermögen nur knapp 200km drin. Bei freundlicheren Temperaturen sind das auch real knapp 150km mehr.

Aber was solls, man kann sich ja drauf einstellen. Und so kommt gleich nach knapp 45 Minuten Fahrt der erste geplante Ladestopp in Sichtweite. Eine Ionity-Ladesäule an der Pyhrnautobahn:

Nach 80km flotter Autobahnfahrt mit Bergauf-Tendenz sind zwar noch gut 60% drin. Aber wenn ich in Trieben voll lade, komm ich mit sehr entspanntem Puffer in Traun an.

Klingt alles total entspannt. Schließlich gibts neben dem Ladepark nicht nur eine WC-Anlage, sondern auch einen großen Spar-Markt, der zum Jausnen einlädt. Ideal um 10 Uhr Vormittags. Bloß kommt da schon wieder der Winter ins Spiel… Mit kaltem Akku dauert die Ladepause knapp 45 Minuten. Sooo interessant ist der Spar auch nicht. Nach einer halben Stunde hat man die Jause gekauft und die hölzerne Deckenkonstruktion bewundert. Auch war mir nicht bewusst, wie verdächtig das auf Supermarkt-Mitarbeiter wirkt, wenn man in den Gängen einfach nur herumsteht und genauso ausgiebig wie wahllos Inhaltsangaben liest. Aber besser drinnen im geheizten Geschäft warten als draußen am kalten und verschneiten Parkplatz.

Mit gut 90% gehts wieder weiter, die Ladeleistung ist mittlerweile auf mickrige 18kW eingebrochen. Liegt wohl am kalten, aber fast vollen Akku, dass da nichts mehr rein will. Dass es ab dem Bosrucktunnel fast konstant fällt und die Tunnelkette Klaus auf 80km/h beschränkt ist, kommt der Reichweite sehr entgegen und so komme ich in Traun mit beachtlichen 51% und 126km Reichweite an.

Mittlerweile ist der Akku schon wunderbar temperiert, sprich die Reichweite wird größer, die Rekuperation alias Bremsenergie-Rückgewinnung stärker und die Fahrt entspannter.

Die geplante Mittagsrast samt Ladestopp am Voralpenkreuz sollte sich easy peasy ausgehen! Nach hochgradig erfolgloser Blitz-Besichtigung der ach so vielversprechenden alten Kiste (separater Artikel folgt) kommt besagte Mittagsrast auch schneller, als gedacht. Mit 38% an der Ladesäule angekommen, sollte sich eine Volladung während dem Mittagessen ganz gut ausgehen. Anstoppeln und ab zum Essen, es ist kalt.

Doch da ist sie wieder, die Urangst aller Verbrenner-Piloten -> Abbruch der Ladung nach 14 Sekunden.

Was jetzt? Es funktioniert nicht… Also doch nicht hier essen, sondern eine andere Säule abseits der Autobahn suchen? Eine Stunde in der Kälte warten, anstatt gemütlich Mittag zu essen?

Dann die rettende Idee. Daneben steht eine zweite Säule. Vielleicht funktionierts mit der? Und wirklich – das Ding lädt. Dank mittlerweile schon aufgewärmtem Akku auch ganz zügig mit an die 50kW. Die kleinen Erfolgserlebnisse des Alltags. Nach der Ladepause für Mensch und Maschine gehts dann entspannt mit vollem Akku die restlichen 160km heimwärts, wo ich mit 33% und 80km Restreichweite ankomme.

Passt ja. Was lernen wir aus dieser Tour?

  • Dass es für regelmäßige Langstrecken sicher geeignetere Elektroautos mit höherer Ladeleistung und mehr Reichweite gibt, wenn es unbedingt ein Stromer sein soll.
  • Dass gerade im Winter die Warterei ganz schön unangenehm werden kann. Vor allem dann, wenn man ein Elektroauto hat, das während dem Laden nicht Heizen kann.
  • Dass es aber auch mit einem City-Flitzer machbar ist, Langstrecken auch unter widrigen Bedingungen zu bewältigen. Es dauert nur länger als mit dem Benziner oder Diesel, mit dem man ohne Pause durchfahren würde.
  • Dass dieses ständige Genörgel, Gejammer und Gesuder über E-Autos nervt. Punkt! Es ist was anderes, ja. Es ist auch bei weitem nicht alles eitel Wonne. Und man muss sich auf die für uns ungewohnte Antriebsart einstellen. Aber Burschen – Get a life! Dann müsst ihr euch weniger ärgern. Soll gut für den Blutdruck sein.

Lukas

Veröffentlicht von Lukas

Mit Herz und Hirn - immer hinterm Lenkrad und am Puls der Straße.

Ein Kommentar zu “Planung ist alles

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: