Nach jahrelangem Tiefschlaf wachgeküsst und von einem Prinzen gerettet? Es wäre zu schön gewesen. Das Leben schreibt andere Geschichten…
Es ist Sommer 2018. In einer fiesen Gegend am Stadtrand von Bruck an der Mur öffnet sich ein Garagentor, das seit Jahren geschlossen geblieben ist. Dahinter schläft Dornröschen. Seit 7 langen Jahren. Doch jetzt ist die Zeit gekommen, den Schlaf zu beenden, denn die Garage soll geräumt werden.

Der Mitsubishi Pajero namens Dornröschen gehört einem langjährigen, guten Freund von mir, der das Ding nach dem Wechsel des Zylinderkopfs bei einer Laufleistung von 349.000km aufgrund privater Veränderungen abgestellt und vergessen hat. Beim ersten Blick auf das Fahrzeug fällt sofort die Feuchtigkeit auf. Schimmel im Innenraum, eine schmierig-feuchte Dreckschicht am Auto. Das lässt nichts Gutes hoffen. Doch beim Schiebeversuch die große Überraschung – Das Ding lässt sich bewegen, die Bremsen sind nicht fest. Respekt, also nichts wie raus aus dem feuchten Gefängnis, rauf auf den Hänger und ab zu mir nach Hause. Eine Bestandsaufnahme steht an.

Bei der sich leider herausstellt, dass der „weiß-blaue EXE“, ein Sondermodell zum Modelljahr 1988, wohl schon beim Abstellen zumindest angezählt war. Denn jetzt hat er es definitiv hinter sich. Kein Karosserieteil ist ohne Rost, beim festeren Schließen der Fahrertür rieseln Teile des Schwellers gen Süden. Aber technisch macht er seinem Ruf alle Ehre. Mit frischer Batterie, enthusiastischem Pumpen des Gaspedals und ein paar Sekunden Startergejaule rennt das Ding. Nach 7 Jahren Standzeit! Unfassbar, das hätte niemand gedacht. Und wie der läuft. Butterweich, mit der typischen Laufkultur des 2,5 Liter Dieselmotors. Und er fährt sogar. Lenkt, bremst, kuppelt, schaltet. Ohne Vorbereitung vor dem Abstellen, nach 7 Jahren in einer feuchten Garage. Er will leben. Nur leider ist die Karosserie einfach „too far gone“, wie der Brite sagt.
Und so fällt nach kurzer Beratung die Entscheidung, das Fahrzeug schweren Herzens als Ersatzteilträger zum Schlachten zu inserieren. Um ihn nicht in die neue Heimat des Besitzers überstellen zu müssen, übernehme ich das.
Der erste Anrufer gibt sich als Exporthändler aus, der alte Geländewagen für Afghanistan kauft und mir das Geld gaaaaaanz sicher gleich überweisen möchte, sobald der Wagen Afghanistan erreicht hat. Ja genau… Der Nächste bitte!
Und jetzt wirds wirklich abenteuerlich. Der zweite Anrufer, es ist schon fortgeschrittener Abend, spricht akzentfreies Kärntnerisch, ist sofort per Du mit mir und „wüll den Wogn sofurt obhuln, wonn er lei laffn tuat.“ Auf meinen Einwand, dass die Kiste in den letzten 7 Jahren bloß 600 Meter gefahren ist, lacht er und meint, das stört ihn nicht. Kurz vor Mitternacht läutet mein Telefon, er ist jetzt da. An der Garage angekommen, stellt sich der Kärnter als Gastwirt vor, der einen Pajero mit defekter Hinterachse hat und nur die Technik braucht. „Dos Heisl is mia wuascht, dos schmeißn ma eh weg.“ Und er hat blaue Nummern unterm Arm! Ich frag ihn noch einmal, ob er jetzt alles Ernstes mit dem völlig fertigen EXE auf eigener Achse ins Drautal fahren will. Doch da hat er sich schon eine Zigarillo angeheizt, die Hemdsärmel aufgekrempelt und den Keilriemen gespannt. Nach dem Flüssigkeitscheck hüpft er rein und macht sich, um 1 Uhr früh, auf zur nächsten Tankstelle.

Einmal volltanken bitte und ab auf die Autobahn. Mich lässt er ratlos zurück. Nach ein paar Stunden Schlaf versuche ich es und schreibe ihm eine SMS, ob er denn gut angekommen sei. Ich rechne mit Schilderungen, wie lange man auf der Pack um 3 Uhr früh auf einen Abschleppwagen warten muss. Oder dass die Kiste auf irgendeinem Parkplatz mit steckenden Bremsen gestrandet ist. Oder dass Rost aus dem Tank die Einspritzpumpe zerstört hat. Oder dass die Polizei den völlig maroden Fetzenflieger aus dem Verkehr gezogen hat. Aber nichts da. Als Antwort kommt nur ein „Logisch! Alles bestens gelaufen.“
Womit man wiedermal sieht – Das Glück ist offensichtlich auf Seiten derer, die sich einfach nichts schei*en.
Lukas