Auf Umwegen zum See

Der See ruft. Wieder einmal. Und das, obwohl der Winter im Jänner auch bei mir vor der Haustüre fast schneefrei und der Feber verdächtig mild war. Aber es geht nichts über das Lebensgefühl am Neusiedlersee.

Nur wohn ich blöderweise nicht grad nebenan. Das ist wohl der Hauptgrund, warum ich so selten vor Ort bin. Aber das muss sich ändern. Ich muss hin, auch wenn es nur für eine Stunde oder zwei ist. Dieses Mal aber einmal etwas anders. Nicht auf der Direttissima S4-S31, sondern mit Abstecher über Theresienfeld im Norden von Wiener Neustadt. Und dann auf Landstraßen nach Rust. Was ich im trostlosen Theresienfeld will? Die Neugierde zieht mich hin, ein Auto lockt. Oder zumindest das Inserat.

Wer die Gegend und ihre Händler kennt, kann sich schon denken, dass das nichts geworden ist. Im Straßendorf Theresienfeld, auf Wikipedia sehr treffend mit „langgestrecktes Breitstraßendorf in der siedlungsfeindlichen Ebene des Steinfeldes“ beschrieben, regieren die arabischstämmigen Export-Aufkäufer. Gruselig, also schnell weg in Richtung Burgenland.

Mir taugt die Weite, die schon bei Wiener Neustadt beginnt. Blick bis zum Horizont und wenn schon Lärmschutz-Schotterwände im Weg sind, dann wenigstens breite, neue Straßen. Gesponsert vom Onkel Erwin. So muss das sein! Aber wo muss ich hin, bevor ich zum See fahre? Genau, ein Zwischenstopp in Steinbrunn am Leithagebirge ist Pflicht!

Mittlerweile hat´s 18 Grad, aber das Seelchen ist verwirrt. Fühlt sich das jetzt schon nach Frühling an? Anfang Feber? Oder ist das ein schöner Wintertag? An dem man die leichte Übergangsjacke offen trägt und die Melancholie des Winters langsam aufgeweicht wird? Egal, ab zum See! Und weil ich Schnellstraßen meiden will, fahr ich durch Eisenstadt. Schon auch schön. Aber der rechte Fuß wird schwerer, der See ruft!

Ich kanns gar nicht festmachen, was mich an dieser Gegend so fasziniert. Vielleicht die Tatsache, dass es klimatisch so völlig unterschiedlich ist zu dem Kaff, in dem ich den Großteil meiner Kindheit und Jugend aufgewachsen bin. Das milde Klima, die sanften Hügel, der weite Blick in die ungarische Tiefebene und die kulturellen Einflüsse von unterschiedlichen Volksgruppen haben die Mentalität der Leute geprägt – ganz anders als den harten, kargen Menschenschlag in den Fischbacher Alpen.

Ein Wochentag im Winter, auch wenn es sich nach keine-Ahnung-was anfühlt, ist schon ganz was Anderes als ein Sonntag im Sommer. Die Freistadt Rust ist gefühlt menschenleer, Parkplätze gibts selbst im Zentrum genug. Ein nachdenklicher Spaziergang durch eine der schönsten Städte Österreichs bekommt da gleich ganz andere Vorzeichen.

Und weil unverhofft oft kommt, ruft mich ein Freund an, nachdem ich ihm ein Foto vom See geschickt hab. Er ist grad in Mörbisch. So ein Zufall. Ich auch schon so gut wie.

So klingt der Tag am See gemütlich aus. Mit Gesprächen am Sonnenbankerl, bevor die Wolken von Westen den Himmel eintrüben. Mit einem Spaziergang durchs Seebad Mörbisch, nur echt mit Reiseleiter-Fahnderl aus dem Schilfgürtel. Und mit einer Heimfahrt, die wieder von Schwermut geprägt ist. Weg aus der üppigen Weite, rein in die karge und rest-weiße Hügellandschaft der nördlichen Steiermark.

Im Herbst 2021 habe ich geschrieben:

Ich muss retour. Vorbei an Rust, vorbei am Steinbruch St. Margarethen, auf der S31 und der S4 immer Richtung Heimat. Wobei Heimat ein relativer Begriff ist. Ist nicht dort die Heimat, wo das Herz ist? Meines ist irgendwo zwischen den Mörbischer Weinbergen, dem Seebad Rust und dem Hauptplatz in Steinbrunn geblieben. Das nächste Mal, wenn ich wieder zurückkehre, werd ich es suchen. Solange darf es schon einmal dort bleiben.

Es hat sich nichts geändert.

L

Veröffentlicht von Lukas

Mit Herz und Hirn - immer hinterm Lenkrad und am Puls der Straße.

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