Seit einigen Jahren spielt sich der private genauso wie der professionelle Handel mit Produkten aller Art in Österreich zu einem großen Teil über die Plattform Willhaben ab. Und mittlerweile hat sich da schon ein eigener Mikrokosmos der Eigenwilligkeiten gebildet.
Fast jeder schaut irgendwann bei Willhaben rein. Ob die Pensionistin auf der Suche nach einer Wohnung, der Lebenskünstler auf der Jagd nach Schnäppchen zum Weiterverdrehen oder der Autospinner mit leerer Garage, die unbedingt schnellstmöglich gefüllt werden sollte – sie alle bevölkern die wichtigste Handelsplattform Österreichs.
Das Spannende dabei ist – Es hat sich regelrecht ein eigener Mikrokosmos rund um Willhaben gebildet, mit ganz eigenen Markt-Mechanismen, eigenen Umgangsformen und teils absurden Phänomenen.
Um das Verhalten der meisten User auf Willhaben zu erklären, reicht ein Blick auf den Besitztums-Effekt.
„Der Besitztumseffekt, auch Endowment-Effekt, ist eine sogenannte kognitive Verzerrung und beschreibt die unbewusste Einschätzung des Werts von eigenem Besitztum. Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen Güter, die ihnen gehören, für wertvoller erachten als andere vergleichbare Produkte.„
Egal ob es um ein Kaffeehäferl, ein Auto oder ein Buch geht – die auf Willhaben dafür aufgerufenen Preise sind oft viel zu hoch, völlig an der Realität vorbei und dadurch nicht erzielbar. Siehe oben. Hinzukommt, dass die Plattform von Schnäppchenjägern bevölkert ist, die am liebsten alles fast geschenkt haben möchten. Eine teilweise ganz schön explosive Mischung, die sich immer wieder in Privaten Nachrichten und Anzeigentexten entlädt.
Als aufmerksamer Betrachter hat man beim Lesen von Anzeigentexten oft das Gefühl, dass so mancher Anbieter psychisch für einen Verkauf nicht stabil genug ist. „Wenn er für den Preis nicht weggeht, zerstöre ich ihn und mach ein Video für YouTube!“ oder „An die 59 Beobachter – Er wird nicht billiger, ihr Aasgeier!!!!!“ sind nur 2 Beispiele von Unzähligen, die sich täglich finden lassen. Und ja – „Je mehr Rufzeichen, desto Volldepp“ stimmt auch meistens.
Scheinbar hält sich auch die gesamte, in Österreich lebende, gebrochen Deutsch sprechende, slawische Community auf Willhaben auf und meldet sich mit „Kannst du mir nach Wien bringen?“, wenn man abgefahrene Winterreifen, gut benutzte Pflastersteine oder alte Kühlschränke zu verschenken hat. Meistens unter Benutzernamen wie „Herr Stein“ oder „Hubert“, um heikle einheimische Verkäufer nicht gleich mit ihrer Herkunft zu verschrecken. Noch so eine Eigenart – Warum traut sich kaum einer, sein Auto, seine Vase oder seinen Sessel unter eigenem Namen zu inserieren? Namen wie „Privat“, „Verkäufer“ oder „XXX“ sind nicht nur unseriös, sondern besonders dann auch ausgesprochen präpotent, wenn in Inseraten solcher User „bitte mit ganzem Namen und Telefonnummer melden“ steht. Oder warum nennt sich der Hans Huber auf Willhaben plötzlich „Martin Meier“? Weil er im Zeugenschutzprogramm ist? Oder dass die Finanz nichts davon mitbekommt?
All jene Glücksritter, die am Tag an zehn oder mehr Inserenten Nachrichten mit Geboten senden, die teilweise weit unter der Hälfte des aufgerufenen Preises liegen, fallen da schon gar nicht mehr auf. „Frechheit siegt“ & „Irgendwann wirds schon klappen“ sind eine Geißel der „Willhaben“-Welt.
Für Psychologen wäre es bestimmt ein spannendes Betätigungsfeld, den Mikrokosmos Willhaben zu erkunden und zu analysieren. Für alle Anderen heißt es „Stark bleiben!“ und sich nicht die Laune verhageln lassen. Denn in der Realität sind viele Willhaben-Idioten ganz normale Nachbarn von nebenan.
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Ein Kommentar zu “Die Willhaben-Psychologie”