Der heilige Knitter-Ace

„Ein Hoch auf unseren Busfahrer, Busfahrer, Busfahrer…“, „Ich denk an die Umwelt, ich fahr mit dem Bus!“ Eigenwillige Ohrwürmer und doofe Sprüche spuken mir da seit Neuestem durch die Birne. Wo die wohl herkommen? Und war da vor einiger Zeit nicht die Rede von einem Souvenir aus Oberösterreich?

Regelmäßige Leser sind informiert – Ich war in Oberösterreich unterwegs, von Linz über Mauthausen bis Perg, um mir Autos anzuschauen. Solche, die keiner braucht, die man aber lustig findet. Geendet hat das Ganze mit einem dezenten Hinweis auf ein Souvenir. Und jetzt ist es soweit, jetzt weih´ ich euch ein. Aber vor weg einige Daten und Fakten, zum Aufwärmen:

Erstzulassung April 1990. Laufleistung 121.800km. Lückenlos (!) servicegepflegt bis 110.000km. Erste Hand (ein Nonnenkloster) bis April 1993, von Mai 1993 bis Oktober 2023 in zweiter Hand. Immer noch die Nummerntafelhalter, den Aufkleber UND das Schlüsseltascherl vom ausliefernden Händler am bzw. im Auto. Zwei originale Schlüssel vorhanden, das Bordwerkzeug mit Marken-Prägung lückenlos in der Originaltasche, Bordmappe im Handschuhfach. Gute Reifen drauf, ein zweiter Satz Räder mit rostfreien Originalfelgen im Kofferraum. Pickerl bis April 2024 mit nur 3 leichten Mängeln. Und am Handschuhfachdeckel das „Gebet der Kraftfahrer“. Da kann dann wirklich nichts mehr schief gehen!

Ich würde wetten, dass der Wagen bei seiner Indienststellung 1990 in der Kongregation der Schwestern Oblatinnen vom heiligen Franz von Sales in der Kapellenstraße in Linz auch gesegnet wurde.

Aber wo so viel Licht ist, da muss auch ein wenig Schatten sein. Der Zweitbesitzer Dr. Vladislav M. und seine Gattin, die schon beim Kauf im Mai 1993 nicht mehr die Jüngsten waren, haben das Ding in den letzten 30 Jahren nicht nur sehr gepflegt, sondern auch rundum kaltverformt. Beim Einparken und beim Rangieren sind Garagenwände, Stützpfeiler und Gartenmäuerchen leider öfters etwas zu nahe gekommen. Die einen nennen es Patina, die anderen Blechschäden. Da die Funktion des Fahrzeugs aber in keinster Weise unter den Dellen leidet und das Ding oben, unten und überhaupt fast gar keinen Rost hat, konnte ich nicht dran vorbeigehen. So authentische, unverbastelte und originale Autos gibt´s in diesen Zeiten kaum noch und wenn, dann nur zu Phantasiepreisen.

Brüüüüder und Schwesteeeern im Heeeeerrn, hiiiiier iiiist eeeeer – der Heilige Knitter-Ace:

Ein 90er Toyota Lite-Ace 1.5 DX. Mit heißen 69 PS aus einem 1500er-Benziner mit Vergaser, 5-Gang-Getriebe, separat zu regelnde Fahrgastraum-Heizung und 8 Sitzplätzen in drei Reihen. Wie sowas fährt? Wie es ausschaut. Harmlos, unschuldig und ein bissi aus der Zeit gefallen. Flott und spritzig ist anders, mit voller Nutzlast bergauf möcht ich ihn mir nicht vorstellen. Man sitzt auf der Vorderachse, nickt und wippt über jede Bodenwelle. Dass er nicht nur für heutige Verhältnisse irrsinnig schmal ist, merkt man an der Sitzposition hinterm Lenkrad, gefühlt sitzt man in der Türverkleidung. Geht aber selbst bei meinem Gardemaß. Er fährt schön geradeaus, springt selbst ohne Choke immer perfekt an, alles funktioniert und es gibt keine verdächtigen Nebengeräusche oder technische Mängel. Das Lenkrad steht schief, aber das war´s auch.

Und jetzt? Was hab ich damit vor?

Wenn ich das wüsste. Drinnen übernachten möcht ich nicht, Vanlife ist nicht meine Welt. Meine Familie möcht ich damit auch nicht großartig in der Gegend herumkutschieren. Zu transportieren hat man zwar immer mal was, aber dafür hat auch bisher fast immer ein normaler PKW gereicht. Und das Fahrspaß-Gerät für sommerliche Sonntag-Vormittage ist es auch nicht grade. Da die Substanz so gut und er fast rostfrei ist, wird er den kommenden Winter wohl nur selten auf die salzigen Straße müssen. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, ihn in der Saison 2024 wie schon den Prairie M10 davor als Schlechtwetter-Oldie zu verwenden, wenn die Alltagsklassiker-Treffen in Graz zu regnerisch, zu kalt oder zu gewittrig für den hochgradig verwöhnten Monsieur Mazda sind.

So, jetzt ist es raus.

L

Veröffentlicht von Lukas

Mit Herz und Hirn - immer hinterm Lenkrad und am Puls der Straße.

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