Waldheimat

Die eigene Kindheit und das Umfeld, in dem man aufwächst, prägen das Verhalten und die Vorlieben für das gesamte weitere Leben? Mal sehen, ob das stimmt…

Mein Interesse für Autos begann und wuchs in den 1990er Jahren. Weil ich in dieser Zeit in einem Bergdorf in der Waldheimat auf über 1000 Meter Seehöhe aufgewachsen bin, war das Straßenbild geprägt von japanischen Allradfahrzeugen, die beim Arzt und bei den meisten Bauern und Jägern ihre Arbeit verrichteten. Ohne großartige Pflege und ohne für ihre Treue eine besondere Wertschätzung zu erfahren. Wenn sie rostig waren, wurden sie weggeworfen. Underdogs, die im Schatten und hinter den Kulissen die Gegend am Laufen hielten. Geliebt wurden andere. Als Jugendlicher mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn war mir das immer schon ein Dorn im Auge und so wuchsen sie mir ans Herz.

Ich begann, sie zu fotografieren. Wissend, dass sie sang- und klanglos verschwinden würden. All die Toyotas, die Mitsubishis, die Subarus, die Nissans, die Daihatsus… Tief in mir drinnen aber, da brannte sich dieser charakteristische Geruch der Heizluft aus den Lüftungsdüsen an kalten Wintertagen ein. Das stets präsente Brummen der Kardanwelle bei zugeschaltetem Allrad, das einem in jedem Schneesturm die Sicherheit gab, gut nach Hause zu kommen. Das sonore Blubbern eines Subaru, der auf einer Schneefahrbahn unbeirrt seine Bahnen zieht. Das riecht und klingt nach Kindheit, nach Heimat, nach Geborgenheit.

Und heute? Sind sie weg, die Autos meiner Kindheit. Ersetzt durch unzählige gesichtslose SUVs aus deutscher, koreanischer, tschechischer und zumindest teilweise noch japanischer Herkunft. Geschotterte Schneefahrbahnen gibt es kaum mehr und auch die Bauern sind nicht mehr auf den ersten Blick an ihren Hüten, ihren Goiserern und ihrem Geruch zu erkennen. Ich wohne mittlerweile in einer Gegend mit hochrangigem Straßennetz, fahre primär Autobahn/Schnellstraße und Stadtverkehr. Ein Allradantrieb würde sich bei mir langweilen, für einen Geländewagen fehlt der passende Alltag. Und doch sehne ich mich nach der Waldheimat in den 1990er Jahren.

Ich denke, für mich ist es an der Zeit, mich meiner Wurzeln zu besinnen. Für mich ist es an der Zeit, die letzten verbliebenen Allrad-Japaner der 80er und 90er Jahre zu finden, zu retten, zu sammeln. Für mich ist es an der Zeit, die Waldheimat meiner Kindheit wieder zurück zu holen. Wenn auch nur in automobiler Form! Denn die Kindheit, die prägt einen viel stärker, als man glaubt…

Veröffentlicht von Lukas

Mit Herz und Hirn - immer hinterm Lenkrad und am Puls der Straße.

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