Verliebt in HC…

… oder „Es ist halt nur eine alte Kiste“. Der Baron, spontaner Überraschungsgast in meinem Fuhrpark, der weder hier, noch auf Treffen wirklich vorkam, ist Geschichte. Und schon wird mir was angeboten, was mich emotional viel stärker abholt. Vorhang auf für den blauen HC.

„Der blaue HC“ wird wohl nicht sein offiziell genutzter Name werden. Insbesondere in Österreich hat das ein deutliches G´schmäckle. Und doch hab ich mich recht schnell in ihn verliebt. Wie so oft im Leben gibt´s eine Vorgeschichte, die ich euch nicht ersparen kann.

Im Juli 2019 war ich in Bad Schwanberg in der Weststeiermark, um den szenebekannten Mazda-Sammler Gerald „Bruno“ Brunner für die Oldtimer Markt Österreich zu porträtieren. An diesem Tag wurde mir sein blauer 929 HC von ihm zugeteilt, mit dem ich den Fotografen für Fahraufnahmen chauffiert habe und mit dem ich im Shuttleverkehr zwischen Brunos Halle und der Fotolocation unterwegs war. Ich war spontan begeistert vom smoothen und ausgesprochen angenehmen Charakter des Schlachtschiffs mit dem kleinen Motor unter der Haube.

Zeitsprung – wir treffen uns wieder im Frühling 2025. Mittlerweile bin ich seit einigen Jahren im Besitz eines Mazda 929 LA4 der ersten Serie. Ein toller Vertreter des späten Japan-Barocks. Chromstoßstangen, amerikanisch anmutendes Design – ein „echter Oldtimer“. Zumindest wird er von Passanten und Treffenbesuchern unmissverständlich als solcher wahrgenommen.

Doch neben seinem faszinierenden 70er-Jahre-Charakters geht mir der ganz eigene Charme der Japaner der späten 1980er ab. Das sanfte Velours. Der charakteristische Geruch der Heizung. Die ins Plastik eingeprägten Fake-Ledernähte. Die immer gleichen Bedienelemente, auf die ich seit meiner Kindheit geeicht bin. Das sanfte, exakte Getriebe. Die tolle Verarbeitung. Ein ganz besonderer Nissan Sunny 4×4 gibt mir den Rest und als die Nachricht von Bruno kommt, ob ich seinen HC vielleicht haben möchte, gibts kein Halten mehr.

Das stattliche Schlachtschiff (4.90 Meter, im Jahr 1987 ein enorm großes Auto) schafft es, mich sofort wieder von sich zu überzeugen. Er ist immer noch so smooth, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Große, sehr bequeme Sitze. Viel Platz. Und alles Serie. Vom elektrischen Schiebedach bis zu den Fensterhebern, vom Edelvelours bis zur elektrischen Antenne. Der kleine 2.2 Liter Vierzylinder mit milden 115PS unter der Haube passt zum Charakter des sanften Gleiters. Im LA4 fährt der Phantomschmerz der fehlenden zwei Zylinder deutlich präsenter mit als im HC.

So ein formschönes Auto…

Werd ich jetzt zum Mazda-Sammler? Eines muss ich klarstellen – Der blaue HC hätte auch ein roter Sigma, ein grüner Maxima oder ein weißer Camry werden können. Sein Zustand (81.000 Originalkilometer, kein Rost, innen wie neu, Pickerl neu) ist toll, er stand nicht weit weg, er war preislich im Rahmen und er erfüllt fast alle Punkte meiner „Japaner der späten 80er“-Sehnsucht. Deshalb wurde es durch Zufall noch ein 929.

Mittlerweile ist er knapp 38 Jahre alt, der Mazda 929 HC. Ohne Frage ein Oldtimer, nicht nur vorm Gesetzgeber. Oder? Spannend – er wird im Straßenbild lediglich als „alte Kiste“ wahrgenommen. Kaum jemand schaut, niemand dreht sich nach ihm um. Der nur 7 Jahre ältere LA4 ist im Vergleich dazu eine Sensation. Woran liegt´s? Wohl an den in Wagenfarbe lackierten Kunststoff-Stoßstangen und am zeitlosen, wenig markanten Design der 80er. Mich stört das aber keineswegs. Er wird genauso historisch eingetragen, er wird genauso im Winter weggesperrt, er wird genauso nur bei Schönwetter gefahren. Und auf Oldtimer-Treffen wird er auch auftauchen. Ganz selbstverständlich.

Das hat er mit dem anderen, blauen HC gemeinsam. Auch wenn er umstritten ist – er lässt es sich nicht nehmen, trotzdem das Rampenlicht zu suchen. Der große Unterschied aber ist, dass man sich über meinen blauen HC freut, wenn man ihn sieht.

L

Veröffentlicht von Lukas

Mit Herz und Hirn - immer hinterm Lenkrad und am Puls der Straße.

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