Europa -> Kuba 2.0 ?

Die Autoimporteure und der Bundesgremialobmann des Fahrzeughandels in der Wirtschaftskammer jammern medienwirksam – Wir Konsumenten kaufen zu wenig neue Autos, die alten Kisten bleiben viel zu lang auf der Straße. Woran liegt es? Und sieht es bei uns bald aus wie in Kuba?

Wenn nicht gejammert wird, stimmt was nicht. Das gilt auch für den heimischen Autohandel. Kaum ein Jahr ist ein wirklich gutes Jahr und besser könnte es immer sein. Aber zur Zeit zeigt sich ein Trend, der viel komplexer ist als es die Medien oder der Fahrzeughandel zu erklären versuchen. Was sagt der Handel zur Kaufzurückhaltung bei Neuwagen?

Der private Autokauf hat sich nahezu halbiert. Bei den Firmen sind die Verkäufe nicht so schlecht, aber auch nicht rosig. Die fetten Jahre für den Autohandel mit hohen Erträgen bei gleichzeitig weniger Stückzahlen sind so gut wie passé.

Und woran liegt das, der offiziellen Meinung nach?

Vor allem die privaten Kunden würden aktuell den Autokauf verschieben, wenn er nicht zwingend notwendig ist. Sowohl der Ukraine-Krieg als auch die Teuerung bei Lebensmitteln, Krediten und Gastronomie sorgen für Verunsicherung und verderben vielen die Konsumlust.

Natürlich sind alle anderen Schuld. Was aber gerne vergessen wird – Wenn man Autos baut, die von den Kunden gewünscht werden, verkauft man auch heute noch ordentlich was. Nur ist das kaum mehr der Fall. Einige Beispiele, wo die Politik der EU und die Autohersteller völlig an der Realität vorbei reglementieren und bauen:

Ein Bauer fährt einen 2016er Skoda Octavia Kombi. Als 1,6 TDI mit 110 PS und Allrad. Ein langweiliger Alleskönner. Nicht so gut wie sein Ruf, aber ziemlich konkurrenzlos.

Neu hat das Ding vor 8 Jahren mit guter Ausstattung 28.000€ gekostet. Kann alles, was man so braucht. Allrad für den Winter, Diesel für die Sparsamkeit, Platz für 5 Leute und ordentlich Gepäck. Eine brauchbare Anhängelast kommt als Goodie noch oben drauf. Und das alles zu einem günstigen Preis. Wenn der Besitzer dieses Schweizermessers auf Rädern jetzt sein Auto ersetzen will und nach einem Neuen sucht, schauts eher mau aus.

Bei Skoda gibts den Octavia 4×4 nur noch mit dem 150 PS Diesel und DSG, zu Listenpreisen ab mindestens 45.000€ für das Basismodell ohne Extras. Die deutlich teurere Steuer und Versicherung für die 150PS kommt noch oben drauf. Uninteressant, also wird das alte Auto einfach behalten. Und die Preise für gebrauchte Octavia mit Allrad steigen weiter. Kein Wunder.

Ein gut situiertes Paar, die Kinder sind schon aus dem Haus, genießt die entspannte Kraftentfaltung und den souveränen Charakter ihres 15 Jahre alten Land Cruisers in Topausstattung, der 2008 knapp 60.000€ gekostet hat.

Was das Ding in diesem Fall besonders macht, ist sein V6-Benzinmotor. Mit 250 PS und der Souveränität von 4 Liter Hubraum. Beides macht ihn nicht zum Sportwagen. Aber der große Motor unterlegt jede Fahrt mit einem anregenden Soundteppich aus V-Motor-Geblubber, das niedrige Drehzahlniveau entspannt und doch ist immer genug Leistung und Drehmoment da. Warum investiert dieses Paar zigtausende Euro in die Erhaltung des Alten und kauft keinen Neuen?

Weil solche großen, einfachen Saugmotoren in der EU nicht mehr erwünscht sind und daher nicht mehr angeboten werden. Und ein neuer Land Cruiser? Geht mit kleinem Dieselmotor und in der Basisausstattung wegen absurden 31.000€ NoVA bei 82.000€ los. Uninteressant, selbst für das Paar, das sich den neuen Cruiser durchaus leisten könnte. Aber warum sich motorisch verschlechtern, wenn man den Standard halten kann, indem man die alte Kiste einfach weiter pflegt und fährt?

Und was ist mit der Familie, die bisher einen 2018er Citroen Berlingo mit 130 PS Diesel gefahren hat? Warum tauschen die nicht um und holen sich wieder einen Neuen, mit Garantie und Neuwagengeruch?

Der 6 Jahre alte Berlingo bringt die Fünf zügig und sparsam in den Kindergarten, zum Einkaufen und auch mal nach Kroatien. Der Wochenendausflug stellt genauso wie der Besuch bei den Großeltern keine Herausforderung dar. Und der neue Berlingo?

Den gibt nur noch als Van der Fahrzeugklasse N1 (Fahrzeuge zur Güterbeförderung mit einer zulässigen Gesamtmasse von nicht mehr als 3.500 kg), sprich mit fixer Trennwand hinter den Rücksitzen. Daran ist die EU mit ihren teils absurden Regularien schuld. Die variable und praktische Familienversion ist ausschließlich als E-Berlingo zu haben. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von abgeregelten 135 km/h, einem Grundpreis von mindestens 46.640€ und einer realistischen Reichweite irgendwo zwischen 150km auf der Autobahn im Winter und 250km bei milden Temperaturen und leichtem Gasfuß auf Landstraßen und im Stadtverkehr. Da werden Urlaubsfahrten mit 3 kleinen Kindern nach Kroatien oder Italien zur Mammutaufgabe und selbst der Besuch bei den Großeltern zur Zitterpartie. Schön blöd, wer seinen Berlingo HDI dafür weggibt.

Selbst wenn monetäre Überlegungen nicht Teil der Kaufzurückhaltung sind – Es gibt genug andere Gründe, warum viele mir persönlich bekannte Menschen kein neues Auto kaufen, sondern bei ihrem Alten bleiben. Wer sich beispielsweise neue Innenräume ansieht, dem kommt gerade im Vergleich zu älteren Autos das kalte Grausen.

Nur noch Bildschirme am Armaturenbrett, weil chinesische Displays und eine halbherzig entwickelte Software billiger sind als Knöpfe und Zeiger. Klimabedienung, Sitzheizung, Radio – alles nur noch via Touch & Slide. Das schreckt viele ab, nicht nur alte Menschen. Türverkleidungen werden mit jedem Facelift billiger, Stoff und geschäumtes Material durch Hartplastik ersetzt. Ein schönes Beispiel seht ihr hier:

Hinzu kommt, dass die in neuen Fahrzeugen verbaute Technik auch immer kurzlebiger und aufwendiger zu reparieren ist. Aus Sechszylindern werden Vier- oder gar Dreizylinder, aus 2 Liter Saugmotoren werden 0,9 oder 1,2 Liter Turbo-Benziner. Diese Motoren sind am Prüfstand sparsamer, in der Realität oft nicht. Sie verbrauchen meist gleich viel oder mehr im Vergleich mit den größeren Vorgänger-Motoren, klingen teilweise erbärmlich, sind mit steigender Kilometerleistung anfällig und aufwendig zu warten. Im Falle einer fälligen Reparatur stehen günstigere, freie Werkstätten oft an, weil der Hersteller erforderliches Spezialwerkzeug oder die notwendige Software zum Anlernen neuer Komponenten nicht freigibt oder die Technik so komplex geworden ist, dass scheinbar lächerliche Reparaturen wie das Tausch eines Starters extrem ins Geld gehen.

All das ist Realität, aber natürlich sagt einem das der Bundesgremialobmann des Fahrzeughandels nicht. Dort heißt es immer nur – Die Leute wollen kein Geld mehr ausgeben. Was man dabei gerne verschweigt ist die Tatsache, dass viele Leute einfach nicht mehr bereit sind, für Fahrzeuge ihr Geld auszugeben, die an den Wünschen der Nutzer vorbei entwickelt werden. In Kombination mit teilweise absurden Regularien der Politik ergibt das eine Mischung, die dafür sorgt, dass immer mehr Autobesitzer ihre alten Kisten bei freien Werkstätten für unwirtschaftlich hohe Beträge noch einmal durchreparieren, schweißen und restaurieren lassen, nur um weiterhin ein g´scheites Auto zu haben und nicht auf kompromissbehaftete, überteuerte Elektroautos oder andere – zu Tode gesparte – Neuwagen umsteigen zu müssen. Und wenn ab 2035 ein Verkaufsverbot für Verbrenner-Fahrzeuge kommt, verstärkt sich dieses Phänomen noch einmal und die Zahl der Oldtimer im täglichen Verkehrsgeschehen wird weiter zunehmen.

Aber sind sie wenigstens viel besser, die neuen Autos? Auch nicht wirklich. Der Sprung von einem Auto aus den 1970ern auf ein Neues aus Mitte der 1990er war gigantisch. Fahrwerk, Sitze, Bedienung, Sicherheit, Fahrleistungen… All das war in den 90ern um Welten besser als 20 Jahre zuvor. Aber ein Auto aus den 2000ern in gutem Zustand fährt auch heute kaum schlechter als ein Aktuelles. Mit dem 20 Jahre alten Auto lebt es sich immer noch sehr angenehm und vor allem simpler und günstiger.

All diese Entwicklungen werden dafür sorgen, dass unsere Straßen bald aussehen wie Kuba ZweiPunktNull. Das müsste doch auch der Politik gefallen!? Schließlich ist das möglichst lange Benutzen von bereits produzierten Gütern nachhaltig und umweltschonend. Oder überlegen Sie etwa schon, wie Sie die alten Kisten mit Umweltzonen oder anderen Schikanen doch noch von der Straße verbannen können, Frau Gewessler?

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Veröffentlicht von Lukas

Mit Herz und Hirn - immer hinterm Lenkrad und am Puls der Straße.

2 Kommentare zu „Europa -> Kuba 2.0 ?

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