Der Trend zum Geländewagen – ohne uns!

Nach einer langen Durststrecke ist für Geländewagen-Fans endlich wieder Licht am Ende des Tunnels zu erkennen. Nur leider findet der neue Trend zum Offroader wohl unter Ausschluss Europas statt.

Bevor die SUV- und Crossover-Welle über uns hereingeschwappt ist, waren die echten Geländewagen eine große Nummer. Auch bei uns. Der Pajero mit über 3 Millionen verkauften Exemplaren konnte sich lange auf Platz 1 der meistverkauften Offroader halten, aber auch zahlreiche andere Modelle vom Daihatsu Feroza bis zum Puch G schafften es in den 1980er und 90er Jahren, sich zu behaupten. Und dann kam das SUV. Plötzlich waren Geländewagen lahm und träge. Hoch sitzen und dank Allrad auf Schneeketten verzichten konnte man auch im Qashqai oder im X5. Das Sterben der Offroader begann und bis auf ganz wenige Ausnahmen sind die Offroader aus den Preislisten verschwunden. Wer Offroad möchte, muss Pick-Up kaufen.

Ford Ranger Raptor

Aber es zeichnet sich eine Trendwende ab. In den USA erleben die Offroader ein Revival, wie man es die letzten Jahre kaum zu hoffen wagte. Vom Toyota 4Runner TRD Pro über den Jeep Wrangler in seien unterschiedlichsten Versionen bis hin zum brandneuen Ford Bronco und Bronco Sport bieten immer mehr Hersteller wieder klassische Geländewagen mit Offroad-Ausstattungsoptionen und coolen Features an, die bei Autofreaks und Offroadern für Verzückung sorgen. Fahrwerke mit Hochleistungs-Stoßdämpfern, MudTerrain-Reifen ab Werk, Unterboden-Schutzplatten und extrakurze Untersetzungsgetriebe, wie man sie bisher nur von Tuningfirmen bekommen konnte, halten Einzug in Großserienmodelle und verkaufen sich als Ausstattungsoptionen richtig gut. Und selbst wenn es nur verspielte Details im Innenraum wie ein Flaschenöffner im Kofferraum oder eine Reifenspur auf den Fußmatten sind – es macht ein Auto begehrenswert.

Toyota 4Runner TRD Pro

Der Jeep Wrangler Pick-Up Gladiator bekommt neben der RockCrawling-Version Rubicon (hohe Räder, ultrakurze Untersetzung, Diffsperren) auch eine Baja-Racer-Variante namens Mojave, die mit einem verstärkten Rahmen, breiterer Spur und besonders robusten Stoßdämpfern für hohe Geschwindigkeiten und sogar Sprünge im Sand oder auf Schotter ausgelegt ist. Der Ford Bronco – gerade erst präsentiert und produziert ab Anfang 2021 – soll dem Wrangler Konkurrenz machen. Er verfügt ebenso über ein klassisches Leiterrahmen-Chassis, Differentialsperren an der einzeln aufgehängten Vorder- wie auch an der starren Hinterachse und herausnehmbare Türen. Chevrolet und RAM bieten ihre Pick-Ups mit speziellen Offroad-Ausstattungsvarianten an – optisch und technisch ordentlich aufgemotzt. Toyota und Nissan genauso.

Nein, das ist keine Conceptstudie. Das ist der Serien-Bronco!

Sogar SUVs und Crossover-Modelle können hochgerüstet und mit cooles Features für zumindest mittelschweres Gelände optimiert werden.

Und was haben wir in Europa davon?

Der neue Suzuki Jimny, letzter leistbarer echter Offroader, wurde nach kurzer Zeit wieder vom Markt genommen. Trotz Rekordnachfrage. Warum? Weil Suzuki keine Plug-In-Hybrid- oder Elektroautos im LineUp hat und der Jimny mit 180g CO2 den Flottenschnitt versaut. Vielleicht kommt er als Fiskal-LKW wieder. Die Tage des Viersitzers sind zumindest in der EU gezählt. Die Folge: Gebauchte Jimnys werden teils zum Neupreis gehandelt, die letzten viersitzigen Neuwagen – Listenpreis 21.000€ – stehen zur Zeit für 30.000€ im Netz. Lada zieht sich aus Europa komplett zurück, das ist für uns auch das Ende des legendären Dauerbrenners Taiga. Mitsubishi hat den Pajero schon eingestellt, nachdem man viele Jahre lang verabsäumt hat, ihn adequat weiter zu entwickeln. Der klassisch aufgebaute Pajero Sport wird in der EU erst gar nicht mehr angeboten. Und auch Toyota bietet die große LandCruiser-Baureihe in der EU nicht mehr an.

Was gibt es in Europa denn dann noch zu kaufen? Der einfachste Jeep Wrangler geht bei uns in Österreich bei irrwitzigen 66.528€ los, der neue Land Rover Defender 110 startet bei nicht minder perversen 66.580€. Dass der Mercedes-Benz G350d bei 141.620€ startet, ist da auch schon wurscht. Immer strengere Flottenverbrauchs- und Abgasgrenzwerte, kombiniert mit Strafzahlungen, verhindern bei uns ein Angebot wie in den USA oder in Australien, wo zahlreiche echte und bezahlbare Geländewagen mit kräftigen Benzin- und Dieselmotoren zu haben sind.

Er wird seinem großen Namen nicht gerecht!

Wer in der EU ein geländegängiges Fahrzeug braucht oder einfach nur haben möchte, muss wohl zum Pick-Up greifen, oder? Aber selbst die sind von EU-Restriktionen betroffen. Der Ford Ranger etwa ist nur noch mit 2 Liter BiTurbo-Diesel zu haben, der kräftige 3,2 Liter Fünfzylinder bleibt anderen Teilen der Welt vorbehalten. Der recht neue 2.4 Liter Diesel im Mitsubishi L200 ist in der EU aus dem Pritschenwagen-Klassiker geflogen, wir müssen uns mit dem 2.2 Liter Selbstzünder aus dem Outlander zufrieden geben. Im Isuzu D-Max hackelt bei uns ein 1.9 Liter-Dieselchen, in Australien ein 3 Liter. Was sich da wohl angenehmer fährt…?

Aber Halt! Natürlich gibt es noch echte Geländewagen neu zu kaufen. Bei Toyota ist der Land Cruiser J15 mit dem dritten Facelift nach wie vor zu haben. Sogar für relativ bezahlbare 47.450€ als weißer Dreitürer ohne Alles. Zwar mit starrer Hinterachse und Leiterrahmen, aber ohne Offroad-Helferlein. Eine 100%-Sperre hinten gibt´s absurderweise nur im Elegance um 69.650€ oder im President um irrwitzige 85.250€, die Crawl-Control oder den Multi-Terrain-Monitor gar ausschließlich im President. Der zweite Kandidat, SsangYongs Rexton, reißt die Geländewagen-Ehre da auch nimmer raus. Er hat zwar eine Untersetzung und einen Leiterrahmen, aber Einzelradaufhängung rundum und ist in Sachen Karosseriewinkel und Optik eher Fullsize-SUV als Offroader. Coole Gadgets und nützliche Offroad-Features, wie sie etwa der neue Bronco oder der Wrangler bietet, fehlen komplett. Ein Jammer!

Kein Wunder, dass die Preise für gebrauchte Geländewagen und Pick-Ups vor der Downsizing-Welle eher steigen denn fallen. Immer mehr Geländewagen werden restauriert, zum Reiseauto umgebaut und teils mit großem Budget am Leben erhalten. Kein Wunder. Es kommt ja zumindest bei uns nichts besseres mehr nach.

Lukas

Veröffentlicht von Lukas

Mit Herz und Hirn - immer hinterm Lenkrad und am Puls der Straße.

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