Brucker Autoschau 2024 – Die schmerzhafte Erkenntnis

Seit die Vienna Autoshow nicht mehr stattfindet, bekommen kleine, regionale Auto-Messen wieder mehr Bedeutung. So auch die Brucker Autoschau 2024, die heute und morgen stattfindet. Und die eine Erkenntnis bereithält, die für so manchen Interessenten vielleicht schmerzhaft sein könnte.

Achtzehn Händler, teilweise mit mehreren Marken vertreten, sorgen für eine schöne Vielfalt an Modellen. Klar, der Gegend und dem Publikum entsprechend eher mit Fokus auf bescheidenere Modelle, aber trotzdem ganz interessant. Etwa zum Sondieren, unmittelbar vergleichen, gustieren.

Und so schlendert man durch, schaut sich um und ist nach einer Viertelstunde wieder dahin. Könnte man so machen. Man würde aber einen wichtigen Punkt verpassen. Denn wenn man sich diese Neu- und Jungwagen genau anschaut, fällt dem kritischen, wachen Betrachter etwas auf, was für nervöses Gestotter bei so manchem Verkäufer und für zustimmendes Kopfnicken bei anderen Besuchern sorgt.

Etwa, dass sich die selbsternannten Premium-Hersteller im offensichtlichen Einsparen zu übertreffen versuchen. Den Vogel schießt dabei der neue Mini Countryman John Cooper Works All4 ab. Heiße 75.000€ teuer. Und was bekommt der Kunde dafür?

  • Kein richtiges Armaturenbrett. Nur ein rundes Pizzablech in der Mitte als Bildschirm, über den fast alles gesteuert wird. Wenn man gerne relevante Parameter wie die Geschwindigkeit vor sich hätte, bleibt nur das Head-Up-Display. Aber selbst das nur als Billigvariante mit separatem Scheiberl.
  • Die Materialanmutung und die Optik eines Lieferwagens. Gut, die Farbe des Vorführers trägt da sicher einen großen Teil dazu bei, dass allein die geöffnete Tür aussieht, wie beim Ford Transit Connect daneben. Billiger Stoff und Hartplastik, eine auf Minimalgröße maximal zusammengeschrumpfte Türverkleidung und ein Plastiktürgriff aus dem Aixam. Dass sich die Optisch toll wirkenden Luftausströmer bei Berührung im drei Klassen billiger anfühlen, ist da auch schon wurscht. 75.000€!!!

Wie wäre es stattdessen mit dem brandneuen Volvo EX30? Volvos Versuch eines Elektro-Volkswagens. Verhältnismäßig günstig, aber trotzdem Volvo. Premium und so.

  • Auch kein Armaturenbrett mehr. Nur ein Tablet vom MediaMarkt draufgeschnallt. Billigste Materialien, als „Recycling-Material schöngeredet. Greenwashing und so, wir kennen es eh. Und überall wird weggelassen. Zuziehgriffe in den Türen? Wozu… Mittelkonsole? Brauch ma ned, man hat eh alles im dritten Untermenü am Bildschirm. Die Fensterheberschalter gibts mittig. Ist billiger, spart man sich die Tasten in den Türen. Was kostet das Spar-Häusl für Asketen und Minimalisten? Über 45.000€? Danke, nächster!

Und dann steht da daneben der MG ZS. Als Elektroversion, aber auch als Benziner. Kostet die Hälfte vom kleineren Volvo, geht als Benziner bei 18.000€ los.

  • Zahlreiche schön gemachte Chromakzente und fast schon liebevolle Details außen. Dreiteilige Türgriffe. Schöne Alufelgen ohne zusätzliche Plastik-Kappen.
  • Ein Innenraum, wie man ihn sich wünscht. Mit Armaturen vor dem Fahrer, wenn auch digital. Im klassischen Layout eines Armaturenbretts. Mit hochwertigen Türverkleidungen, tollen Materialien, Chromspangen auch innen, Doppeldichtungen, Kontrastnähten. Und mit 7 Jahren Garantie. Klingt sehr Premium. kommt aber von SAIC aus China!

Gegenüber die Österreich-Premiere des neuen Suzuki Swift. Ein hässliches Entlein, ein uninteressanter Kleinwagen für Hausfrauen?

Auf den ersten Blick ja. Aber dann…

Beim neuen Swift gibts für 20.000€ einen 3-Zylinder-Saugbenziner mit Mildhybrid-Unterstützung. Sicher nicht der Kracher. Aber das Auto an sich ist bemerkenswert. Warum?

  • Das ist eines der letzten echten neuen Autos! Mit richtigen Armaturen. Mit physischen Zeigern. Gleich vier Stück davon! Kein Digital-Screen-Zeugs. Und das vor dem Fahrer, hinterm Lenkrad! Einem Lenkrad mit richtigen Tasten. Nix Touch, nix Slide. Dass man sowas noch erleben darf.
  • Eine separate Klima-Bedieneinheit in einer echten Mittelkonsole! Mit Schaltern, Knöpfen und Reglern. Sofort erreichbar, auf den ersten Blick und selbst ohne Hinschauen zu ertasten. Eigene Sitzheizungs-Schalter, neben der Handbremse. Ohne Untermenü und ohne monatliches Sitzheizungs-Abo! Geht so Premium heute, BMW?
  • Mehrteilige und mehrfarbige Türverkleidungen vorne. Mit optisch ansprechender Chromspange und einem echten, kalten, verchromten Metall-Türgriff! Doppeldichtung, japanertypisch toll verarbeitet, selbst beim Vorserien-Auto.

Was kostet das? 20.000€!? Na servas, Countryman! Bist du mittlerweile Feuerwehr-Rot geworden!?

Und dann stehen da ja noch die Mazdas. Fast schon Oldschool, in ihrer Neuwagigkeit.

  • Der alte Mazda 6 (seit 2012 am Markt!) hat mittlerweile ein Niveau in Sachen Materialien, Verarbeitung und Materialanmutung erreicht, die fast zu Tränen rührt. Schaut euch das an, liebe Daimler-Kostendrücker! Schalter, die knackiger einrasten als bei aktuellen Audis. Drehregler mit einer Rückmeldung, die verblüfft und Premium schreit. Sichtbare und vor allem echte Auspuffendrohre, was heute nicht mehr selbstverständlich ist. Hallo Audi S6!
  • Im aktuellen Mazda 3 empfängt den Interessenten ein fahrerorientiertes Cockpit, wie man es sich heute von BMW wünschen würde. Fein ausgearbeitet, kleinteilig, aufwendig designt und umgesetzt. Auf „Crafted in Japan“ darf man da durchaus stolz sein. Auch wenn das von den Messebesuchern kaum jemand positiv assoziieren wird.

Noch zwei Punkte, die mir aufgefallen sind:

  • Bügel-Türgriffe gibts in mehrteilig und in einteilig. Die mehrteiligen Griffe sind schöner und hochwertiger, weil das Schloss abgedeckt bleibt. Siehe Bild links. Einteilige Bügelgriffe sind billiger. Auch optisch. Siehe Bild mitte und rechts. Und wo gibts die billigen, einteiligen Griffe? Primär bei der selbsternannten Premium-Partie… Besonders schlimm beim neuen VW Tiguan, ganz rechts.

Aber nichts gegen die äußeren Türgriffe bei neuen BMWs und Minis. Billige Plastik-Klappdinger, wie sie in den 1990er-Jahren zurecht von allen Autotestern kritisiert wurden. Warum? Weil klassische Bügeltürgriffe im Unfall-Fall deutlich sicherer, im Alltag haptisch besser und überhaupt einfach hochwertiger sind. Aerodynamik? Papperlapapp! Man will uns Einsparen wiedermal als Innovation verkaufen.

  • Heimische Autohändler rühmen sich mit dem Messepaket. Was gehört da dazu? Dass ein Neuwagen vollgetankt ist, zumindest Gummimatten drinnen liegen und ein Verbandskasten samt Warndreieck im Kofferraum herumkugelt, erwarte ich sowieso. Da seid ihr noch stolz drauf? Kein Wunder, dass die Kunden sich in Zurückhaltung üben.

Lukas

Veröffentlicht von Lukas

Mit Herz und Hirn - immer hinterm Lenkrad und am Puls der Straße.

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