Oberösterreich Lite

Wer verbringt schon an regnerischen und kalten Tagen seine Freizeit damit, nach Oberösterreich zu fahren und dort vielleicht auch noch ein Fahrzeug anzuschauen, das er eigentlich gar nicht braucht? Und schreibt man Light nicht mit „gh“ und ohne „e“? Fragen über Fragen…

Seit vielen Monaten spukt da ein Toyota Lite-Ace durchs Internet, der einige Rätsel aufgibt. Dreißig Jahre alt, nur knapp über 23.000km auf der Uhr und angeblich so gut beinander wie aus dem Schachterl. Kosten soll er aber mehr als damals neu, was im Jahr 1993 umgerechnet 17.300€ gewesen wäre, wenn es den Euro denn schon gegeben hätte. Fast das ganze letzte Jahr war das Ding um 19.000€ inseriert.

Und weil ihn um diesen Preis niemand gekauft hat, ist er jetzt um 22.000€ wohlfeil. Komische Sache. Komisch im Sinne von „merkwürdig“. Und nicht wirklich nachvollziehbar. Wäre spannend, die Hintergründe zu wissen oder sich zumindest vor Ort ein Bild zu machen.

Endlich passt es zeitlich, ich kann der mysteriösen Geschichte auf den Grund gehen. Also los, auf nach Perg in Oberösterreich.

Als ob der Auto-anschau-Gott wüsste, dass Regen doof ist, hörts kurz vor Mauthausen damit auf. Noch einmal kurz aufs Gas, und schon bin ich dada. Wobei, noch nicht beim Auto. Ich treffe den Besitzer bei seinem Haus, fahre mit ihm in seinem vor kurzem gebraucht erstandenen VW T5 zu einer Garage, in der das Objekt der Begierde lagert. Auf meine Frage, wie er zu dem inserierten Fahrzeug kommt und welches Schicksal dahinter steckt, beginnt die G´schicht dann schon eigenwillig zu werden.

Das Ding stammt angeblich von „entfernten Verwandten“ aus der Nähe von Tulln, die recht schnell nach dem Kauf zu alt waren, um damit zu fahren. Der Verkäufer hat dann einen Bus zum Fischen gesucht, den Lite-Ace vor wenigen Jahren von seinen Verwandten um 17.000€ (!!!) gekauft und ist erst nach dem Kauf draufgekommen, dass ihm das Ding zu klein ist, um darin zu schlafen. Es ihm mit 70 PS zu schwach ist, um damit zu fahren. Und zu schade, um darin seinen Kescher austropfen zu lassen. Also hat er 2000€ investiert, ihn aber nie angemeldet. Und jetzt soll er „zum Selbstkostenpreis“ von 19.000€ wieder weg. Inseriert ist er um 22k, weil ja noch Spielraum zum Fixpreis von 19k sein soll… Angeblich wäre auch erst vor wenigen Wochen ein Salzburger dagewesen, der ihm gleich 17.000€ Cash geboten hätte. Er hat abgelehnt, das sei zu wenig.

Aha.

Jetzt stellt sich nur noch die Frage, ob der Wagen gleich wenig authentisch ist wie die Geschichten drumrum.

Und das kommt überraschend – Das Ding ist bis auf ganz geringe Gebrauchsspuren wirklich wie neu. Innen, außen, unten drunter. Nachlackierungsfrei, fast rostfrei. Bestechend. Vom Stehen ist die Bremse sehr weich, braucht mehrfaches Pumpen für brauchbaren Bremsdruck, aber das wars auch mit Mängeln. Die Bordmappe hat er „leider grad nicht“ bei der Hand, den Typenschein auch nicht. Somit sind Rückschlüsse auf die Richtigkeit der Historie oder einen Vorbesitzer nicht möglich. Und natürlich auch keine blauen Nummern, zwecks Probefahrt.

Da jeder Satz des Verkäufers entweder mit „Als Oldtimer wird der ja eh immer nur noch mehr wert…“ beginnt oder mit „… weil weniger wird der nie wieder wert, als Oldtimer!“ endet und sein Fixpreis von 19.000€ offenbar wirklich fix ist, brauch ich ihm meine Einschätzung zu einem realistischen Verkaufspreis gar nicht auf die Nase zu binden. So ist die Besichtigung schnell vorbei und ich fahr mit einem komischen Gefühl nach Hause. Der Verkäufer war nett und sehr sympathisch. Trotzdem bleibt der fade Nachgeschmack, dass so ziemlich alles den Lite-Ace betreffend entweder geflunkert oder von einer prägnanten Unverbindlichkeit geprägt war.

War der Trip nach Perg umsonst? Definitiv nicht. Ich hab mir ein Bild machen können, was immer wichtig ist, wenn man aktiv Marktbeobachtung betreibt. Und vielleicht hab ich mir ja auch ein Souvenir aus Oberösterreich mitgenommen?

Lukas

Veröffentlicht von Lukas

Mit Herz und Hirn - immer hinterm Lenkrad und am Puls der Straße.

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